– Wir stehen wieder auf –
Dieser Slogan auf einem Bus, den wir gleich am ersten Tag unseres 3wöchigen Aufenthaltes in Nepal sahen, sollte unsere Gedanken während der gesamten Reise prägen und lenken.
Im Oktober machten wir uns auf den Weg, das Land ein wenig zu erkunden.
Hauptsächlich wollten wir jedoch im Bergdorf Karmidanda liebgewonnene Freunde besuchen und uns dort natürlich auch über den Stand des Projektes „Schulneubau“ informieren.
Beate Sitter aus Sülzhayn, die nach der einzigartigen Spendenaktion des Jugendsozialwerks Nordhausen bereits im vergangenen Jahr unvergessliche Eindrücke vor Ort sammeln konnte, wurde nun von ihrer Tochter, Franziska Sitter, aus Dresden, begleitet.
Nur langsam geht es aufwärts in Nepal, da die Regierung alles andere als unterstützend eingreift. Aber unter den Menschen ist eine allgemeine Wiederaufbaustimmung zu spüren. Überall sind ausländische Touristen zu sehen, die nach dem verheerenden Erdbeben im April 2015 monatelang ausgeblieben sind. Die bedrückende Stimmung im vergangenen Jahr ist einer allgemeinen Geschäftigkeit gewichen.
Lärm, Staub, Staus für Fahrzeuge und – man glaubt es kaum – auch Staus für Fußgänger gehören wieder zum Alltag der Hauptstadt Kathmandu.
In unseren Reisezeitraum fiel das mehrtägige Dashain Festival, eines der größten hinduistischen Feste, das vor allem im Familienkreis begangen wird. Es war sehr bewegend in Gesprächen von den Hoffnungen aber auch den Sorgen und Nöten der Menschen verschiedener Generationen zu erfahren.
Endlich haben die ständigen Nachbeben aufgehört. An den Kampf gegen die vorherrschenden klimatischen Bedingungen hat man sich hier ein Leben lang gewöhnt. Für uns Europäer ist es unbegreiflich, mehrere Stunden oder auch Tage geduldig im Bus im Stau zu stehen, weil gerade mal wieder ein gewaltiger Erdrutsch die Weiterfahrt verhindert.
Das Erlebnis, in einem Bus auf den nach dem Monsun notdürftig hergerichteten Straßen für 200 km 10 Stunden lang unterwegs zu sein, durften wir mit den Insassen von hunderten Bussen vor uns, hinter uns und im Gegenverkehr teilen. Während und nach der alljährlichen Regenzeit ist das völlig normal in Nepal. Zu unserer Schule nach Karmidanda fuhren wir nicht mit leeren Händen. Liebe Freunde und Familienmitglieder gaben uns 400€ mit auf die Reise um fehlendes Schulmaterial zu besorgen. Diese Aktion wurde sorgfältig von unserem Freund, dem Lehrer Jhabraj Neupane, vorbereitet. Er beriet im Vorfeld mit Kollegen über den Verwendungszweck des Geldes und erstellte eine Liste mit den am dringendsten benötigten Dingen.
In einem Spezialgeschäft in Kathmandu kauften wir Anschauungs- und Experimentiermaterialien für den Chemie-, Physik- und Biologieunterricht. Das Ergebnis war nicht nur für uns, sondern auch für den Ladenbesitzer überraschend. Er legte vor Begeisterung über das große Geschäft noch einiges oben drauf.
Mit voll beladenem Jeep ging es nun in die Berge, wo uns Lehrer und Schüler neugierig empfingen. Aufgeregt wurden die Kartons ausgepackt. Ein Teleskop wurde rasch zum Highlight… Irgendwie dachten wir an Weihnachten…Die Freude war riesig groß. Ein herzliches Dankeschön an alle Spender! Bislang war uns nicht klar, dass hier tatsächlich sämtliche Naturwissenschaften nur theoretisch vom Lehrbuch meist ohne Bilder vermittelt werden. Selbst der Anblick eines in Alkohol eingelegten Krebses versetzte Groß und Klein in Staunen. Und dennoch studieren Abgänger dieser Schule an Hochschulen und Universitäten in Kathmandu… Derzeit findet fast der gesamte Unterricht der 10 Klassen in behelfsmäßigen zweiräumigen Wellblechhütten statt. Wir nahmen an einigen Unterrichtsstunden teil, um uns unser eigenes Bild davon zu machen. Sprechen im Nachbarraum Kinder im Chor, kann man kein Wort mehr verstehen und der Lehrer macht ganz selbstverständlich eine Pause. Auf unsere Frage, wie man überhaupt so lehren kann, antwortet er mit einem Lächeln: „Ihr solltet einmal während der Regenzeit wiederkommen. Dann regnet es tage- und monatelang so stark und trommelt so laut auf die Blechdächer, dass der Unterricht teilweise ausfallen muss. Dieser Zustand wird sich wohl leider auch perspektivisch nicht vollständig ändern lassen.“
Bei seinen Worten dachten wir sofort an die erste schlaflose Nacht in unserer Wellblechunterkunft in Karmidanda, als es für uns gewaltig und furchteinflößend regnete. Für unseren Freund war das allerdings der letzte Nieselregen der vergangenen Regensaison.
Die eingangs beschriebene Situation im Lande spiegelt sich natürlich auch im Fortschritt des Projektes Schulneubau wider. Die Regierung hat keine helfende Hand. Im Gegenteil, sie versteht sich sehr gut auf Verzögerungen.
Der ursprünglich geplante Standort für das neue zweiräumige Gebäude wurde verworfen, denn extreme klimatische Bedingungen stellen im Bergdorf Karmidanda eine große Herausforderung an den Bau eines Hauses dar. Gewaltige bergabströmende Wassermassen sowie die Gefahr eines anschließenden Erdrutsches müssen Berücksichtigung finden.
Ebenso sind regelmäßig vor der Regenzeit einsetzende extreme Stürme zu beachten. So wurde zum Beispiel in der vergangenen Regenzeit der Weg zur Schule, den wir im letzten Jahr gelaufen sind, weggespült. Steinblöcke mussten neu aufgeschichtet und die Trasse teilweise komplett verlegt werden.
Der Verein Walk Along hat zusammen mit seinen italienischen Freunden und Beratern sowie dem einheimischen Architekten einem geschützten Standort den Vorzug gegeben. Ein in Folge des Erdbebens stark beschädigtes Schulgebäude wurde in diesem Jahr bereits abgerissen und macht nun Platz für das Neue.
Die Regenzeit ist endlich vorbei und der Bau kann beginnen. Letzte Schwierigkeiten konnten während unseres Aufenthaltes in Gesprächen aus dem Weg geräumt werden. Baumaterial kann jetzt geordert werden. Ab Mitte November wird im Auftrag von Walk Along e.V. ein freiwilliger Helfer aus Deutschland in Karmidanda verweilen und den Bau durch ortsansässige Baufirmen betreuen.
Viele unvergessliche Momente, Eindrücke, Erlebnisse aber vor allem die herzliche Gastfreundschaft machten die Reise durch die wunderschöne Natur für uns zu etwas ganz Besonderem.
Zum Abschied stand für uns fest
„We will be back“ – Wir kommen wieder!
Sülzhayn, Dresden im November 2016,
Beate Sitter, Dr. Franziska Sitter